Donnerstag, 8. Oktober 2009

Abgebrunftet

Kalt und ein wenig ungemütlich ist es geworden. Der Herbst schreitet voran und das Geschehen auf dem Brunftplatz nimmt ab. Hoffentlich bekommt meine Gruppe für den Abendansitz überhaupt noch etwas geboten, denn immerhin sind die Besucher extra aus Hamburg und Stuttgart angereist.
Der erste Herbststurm zieht aus westlicher Richtung über die Brohmer Berge und so können unsere Besucher ihrer Geschwätzigkeit freien Lauf lassen. Denn gegen den Wind schafft der Schall es nicht. Lange Zeit gesellt sich kein Rotwild zu der größeren Gruppe Rehe auf dem Hirschgrund. Ist es ihnen vielleicht zu windig?
Die Rehe wechseln jetzt von Sommer- auf Winterfell. Einige von ihnen tragen noch den Sommer-, andere schon den Winterlook, so dass für uns der Unterschied wunderbar zu beobachten war.
Und die Hirsche? Ab und zu hören wir das Röhren aus dem Wald, aber die Ehre der Beobachtung geben sie uns nicht. Trotzdem ist die Stimmung auf der Kanzel prima und wir vertreiben uns mit Geschichtenerzählen die Zeit. Der Wind pfeift und die Sonne geht langsam hinter der grauen Wolkendecke unter. Einige der Gäste beginnen trotz der warmen Jacken zu frösteln und ich teile weitere Decken aus. Die Rehkitze hingegen erwärmen sich durch wildes Toben.
Gerade, als ich mir vornehme den Ansitz in den nächsten Minuten zu beenden, erscheint er dann doch noch: ein kapitaler 18-Ender. Ein wahrer Prachtkerl. Majestätisch schreitet er einmal den Brunftplatz ab und röhrt immer wieder in die Abenddämmerung. „Wie auf einem Gemälde“, sagt eine der Besucherinnen fasziniert. Doch unser Hirsch bleibt ohne Damen und Konkurrenten. Einige Male röhrt er noch und verschwindet dann im Wald. Er und die anderen Hirsche sind abgebrunftet. Vorhang fällt - für dieses Jahr.


Freitag, 25. September 2009

Vorhang auf!

Heute Morgen haben die Kollegen den mobilen Beobachtungswagen an den "Hirschgrund" gezogen und dort mit Reisig und Ästen dem direkten Blick von Mensch und Tier entzogen. Der Abend ist sehr mild – eigentlich sind die Temperaturen zu hoch für die Brunft.
Doch auf dem Weg zum Ansitz begleitet mich und meine Gruppe ein umwerfendes Konzert. Es sind mindestens vier starke Hirsche zu hören: von links, von rechts, von vorne und von hinten – aber zu sehen sind „nur“ Rehe. Ein alter Bekannter, der Rehbock mit einer Stange, ist auch schön zu beobachten. Dann gibt kurz vor dem Hauptprogramm noch ein Fuchs sein Stelldichein und fängt sich ein Abendessen. Die Erwartungen steigen!
Das Röhren wird lauter, es kommt dichter, aber noch immer ist kein Hirsch zu sehen.
Was, wenn sie gar nicht erscheinen, wenn wir sie durch das Umsetzen des mobilen Beobachtungswagens gestört haben? Gemischte Gefühle.
Von rechts ziehen zwei Hirschkühe mit einem Kalb auf die Freifläche und sehen sich getrieben um. Das Röhren der Hirsche kommt immer näher. Dann endlich, Auftritt von links: ein starker Hirsch mit ungefähr 25 weiblichen Alttieren und Kälbern.
Jetzt wissen die Besucher nicht mehr wo sie hinsehen sollen, denn auch am rechten Ende des „Hirschgrundes“ reißt der Strom nicht ab. Acht weitere Alttiere mit Kälbern und einem zweiten starken Hirsch betreten die Bühne. Dem Trupp folgen vier jüngere, sogenannte Beihirsche und versuchen dem schon sichtlich von der Brunft erschöpften Hirsch die „Damen“ abzunehmen. Und so verliert der zweite Hirsch einige Tiere aus seinem Kahlwildrudel. Doch damit nicht genug!
Auftritt des jugendlichen Helden: ein ebenfalls starker aber noch jüngerer und nicht so abgebrunfteter Hirsch schreitet mit hoch erhobenem Kopf auf seinen Rivalen, den zweiten Hirsch, zu und beansprucht durch Imponiergehabe dessen Kahlwild. Ohne langes Vorspiel kommt es zum Kampf. Staub liegt in der Luft, als sich die Kraftpakete über den Brunftplatz schieben, um den Sieger zu ermitteln.
Unterdessen sehen die jüngeren Beihirsche ihre Zeit gekommen und treiben die Alttiere und Kälber davon. Der Kampf scheint ewig zu dauern, erste Zeichen der Schwäche bei dem älteren Hirsch sind zu erkennen. Dann die Niederlage. Er dreht sich weg und ergreift die Flucht. Doch der Sieger steht etwas dumm da, denn der „Preis“, das Kahlwild, ist auf der Fläche verstreut und wird auch noch von den vier jungen Wilden getrieben. Hier muss erst einmal für Ordnung gesorgt werden!
Der jugendliche Held treibt das Kahlwild zusammen, verscheucht die Beihirsche durch kurze Sprints und bedrohliches Röhren.
Jetzt erst bemerke ich den Schalk der Szenerie, einen pechschwarzen jungen Beihirsch, der kurz vor dem abendfüllenden Programm noch ein Moorbad genommen haben muss.
Bei einem Blick in die Gesichter der Besucher sehe ich nur begeisterte und ehrfürchtige Mienen. Die Sonne ist schon lange untergegangen und ein leichter Nebelschleier legt sich wie ein Vorhang über die Bühne.
Noch vor der "Botschaft der Wildtiere" ist der Klang der Hirsche in Wildtierland gut zu hören und alle sind sich einig: Das war ein fantastischer Ansitz!


Mittwoch, 23. September 2009

Von Sternen und Rehäuglein

Strahlender Sonnenschein und sommerliche Temperaturen im "Tal der Hirsche", und kein einziges Wildtier ist von unserer größten Kanzel, dem Wildtierpavillon, aus zu sehen. Erst als die Sonne verschwindet und es kühler wird, kommen die Rehe wie auf Kommando aus der Deckung.

Bei noch gutem Licht beobachtet ein Gast „einen schwarzen Fleck, der sich bewegt“. Wildschweine!
Nur die Hirsche wollen und wollen sich nicht zeigen. Sie waren heute wohl etwas müde und die Temperatur nicht nach ihrem Geschmack.
Zum Abschluss dieses herrlichen Tages baue ich noch den Scheinwerfer auf, um das „Tal der Hirsche“ abzuleuchten. Und siehe da: Lauter kleine Sterne funkeln durch das Tal. Die Augen der Rehe reflektieren das Scheinwerferlicht. Erst jetzt wird deutlich, welch große Zahl an Rehen im "Tal der Hirsche" zu beobachten ist.


Freitag, 18. September 2009

Der "Wolfssprosser"

Eine halbe Stunde ließen uns die Hirsche heute in herrlicher Morgenruhe auf dem Peterberg warten. Erst dann zeigte sich der erste Hirsch zwischen den Holunderbüschen. Doch nur kurz gab er uns die Ehre und bald war nur noch sein Röhren zu vernehmen. Wer das Geräusch eines röhrenden Hirsches im Wald nicht kennt, dem kann schon Angst und Bange werden: der mächtige Brustkorb wirkt als Resonanzkörper, mit dem die Hirsche ihre tiefen, leicht gepressten und lang gezogenen Rufe durch die Landschaft erschallen lassen.
Kahlwild zeigte sich heute nur wenig. Aber neben einigen Rehen ließ sich auch eine Rotte Wildschweine nicht von der geschwätzigen Gruppe abhalten. Wie eine Art Entschädigung zogen die Schweine direkt vor der Kanzel vorbei.



Und noch einen Höhepunkt hielt dieser Ansitz für uns bereit: den Hirsch mit der Wolfssprosse. Eine Wolfssprosse ist eine selten vorkommende Formation im Geweih der Rothirsche. Der imposante "Wolfssprosser", wie wir ihn nennen, war in den letzten Jahren immer mal wieder in Klepelshagen und machte sich auch als Platzhirsch einen Ruf!

Mittwoch, 16. September 2009

Störenfried im Nebel

Als ich um 4.30 Uhr zum Morgenansitz aufstehe, erwartet mich das Wintersternenbild Orion in einer sternenklaren Nacht. Doch nur am Himmel ist es klar, hier am Klepelshagener Boden macht sich ein leichter Nebel breit, der auf dem Weg zur Kanzel dichter und dichter wird. Vom Ansitz aus ist dann außer einer weißen Suppe auch nichts zu sehen. Doch die Hirsche geben ihr Bestes!
Aus dem Nebel ist von allen Seiten ein Röhren zu vernehmen, dessen Herkunft jedoch schwer zu orten ist. In meiner Gruppe gehen die Meinungen auseinander, wie viele Hirsche der Nebel verbirgt. Ich bin mir sicher, dass es drei, möglicherweise sogar vier sind.
Der Nebel zeichnet, getragen durch Luftverwirbelungen, die schönsten Kunstwerke an den Morgenhimmel. Bald bahnen sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durch den Nebel und mit ihnen kommt auch das Rehwild aus dem Wald. Während sich zwei Kitze die Feuchtigkeit aus dem Fell toben, nutzt die Ricke die Morgenstunde zum Äsen.
Plötzlich erschallt ein merkwürdiges Röhren aus dem Nebel! Einigen Jägern unter den Besuchern und mir ist sofort klar, dass dies kein Hirsch war: Ein ungebetener Gast muss sich einen Scherz mit uns und den Hirschen erlaubt und das Röhren mit einer Gießkanne imitiert haben. Ich bin beunruhigt, denn das Gießkannen-Röhren kam aus einer Ecke des Hirschgrundes, den noch nicht einmal wir Mitarbeiter betreten. Immer wieder verlassen unverantwortliche Spaziergänger die Wege, streunen durch Wildtierland und stören dabei die Wildtiere. Erwischen wir die Störenfriede, klären wir sie auf und bitten, auf den Wegen zu bleiben. Doch rechtlich können wir nur wenig dagegen ausrichten.
Und so endet dieser stimmungsvolle Ansitz für mich mit gemischten Gefühlen.

Montag, 14. September 2009

Wie das Fähnlein im Winde

Hirsche sind trotz ihrer imposanten Erscheinung sensible Tiere: sie hören, sehen und riechen hervorragend. Nur unbewegte Objekte können sie nicht gut erkennen. Auf der Beobachtungskanzel ist es deshalb wichtig, sich ruhig zu verhalten und hektische Bewegungen zu vermeiden. Aufgrund des ausgeprägten Geruchssinnes spielt bei der Wildbeobachtung der Wind eine entscheidende Rolle. Daher sind alle Kanzeln in Wildtierland nach Westen hin, der hiesigen Hauptwindrichtung, ausgerichtet.
Heute hat der Wind gedreht und ich muss mit meiner Gruppe auf eine andere Kanzel ausweichen. Schon auf dem Weg dorthin ist der noch sehr junge Tag erfüllt vom Brunftgeschrei der Hirsche. Der kleine Ort Klepelshagen scheint unter dem Röhren zu erbeben. Auch die Besucher sind ehrfurchtsvoll angesichts dieser akustischen Naturgewalt. Als die Sonne den Hirschgrund in ein fahles Morgenlicht taucht, gibt sie den Blick frei auf den Platzhirsch und seine Hirschkühe, die in der Fachsprache Kahlwild genannt werden. Der Platzhirsch ist der stärkste Hirsch auf dem Brunftplatz, der das Kahlwildrudel „in Besitz genommen“ hat.


Dieser Platzhirsch ist ein 14-Ender und hat immer ein Auge darauf, sein Rudel zusammen zu halten. Die Gäste sind begeistert und wollen wissen: Was ist ein 14-Ender? Beim Zählen der Geweihenden werden beide Stangen für sich gezählt. Die Endenzahl der Stange mit den meisten Enden wird mal zwei genommen. Dies ergibt die Endenzahl.

Ein kleinerer Beihirsch, der sich dem Kahlwildrudel und dessen Platzhirsch nähert, wird vom König des Platzes mit einem Röhren empfangen und durch einen kurzen Sprint in die Flucht geschlagen. Ein Beihirsch ist ein meist jüngerer Hirsch beim Brunftrudel, der dem Platzhirsch körperlich unterlegen ist.
Der Hirschgrund liegt nun im Nebel, die Hirsche schweigen und die Gäste werden unruhig. Ein Hustenanfall durchbricht die Stille. „Na, das war´s jetzt wohl“, denke ich bei mir, aber ich sollte mich täuschen. Nach dem Hustenanfall ist ein Röhren zu vernehmen - die Antwort aus der Senke vor dem Ansitz folgt prompt. Und dann die Sensation: Nicht weiter als 50 Meter vor dem Ansitz zeigen zwei Hirsche dem versammelten Kahlwild und unseren Gästen ihre Kampfkünste.
Alle sind fasziniert und so bemerke nur ich den Feldhasen, der nicht weit von den beiden Kontrahenten auf seinen Hinterläufen steht und die Show zu genießen scheint.

Donnerstag, 10. September 2009

Dunkel war´s, der Mond schien helle

Heute steht ein besonders spannender Ansitz auf dem Programm: ein Mondscheinansitz!
Die Gruppe, sieben gutgelaunte Gäste und ich, startet um 21 Uhr mit dem Wildtiermobil zum Ansitz. Der Wind steht günstig, der Himmel ist leider Wolkenverhangen. Es kann kühl werden.
Das Rotwild erwartet uns schon. Auch der abnorme Rehbock scheint am Schwanenteich zu liegen. Es ist schwer zu erkennen, ob er es wirklich ist, denn die Sonne ist weg und das Mondlicht wird durch die Wolken sehr stark gedämpft. Als sich unsere Augen an das wenige Licht gewöhnt haben, kann ich gut erkennen, das es sich nicht um „unseren“ alten Einstangen-Bock handelt. Es gibt also einen zweiten Bock mit nur einer Stange! Der „Neue“ hat sich seine Stange abgebrochen und steht wesentlich besser im Futter als unser „Alter“.
Die Wolkendecke will und will nicht aufreißen. Es wird dunkler und dunkler. Hoffentlich zeigt sich der Mond noch! Ohne Mondlicht ist die Naturbeobachtung in der Nacht nicht sonderlich ergiebig.
Links vom Ansitz raschelt es plötzlich. Dann ist ein lautes Grunzen zu hören. Die Gäste sind plötzlich alle still und lauschen in die Dunkelheit. WILDSCHWEINE! Eine ganze Rotte Wildschweine zieht etwa 40 Meter vor dem Ansitz vorbei. Die Leitbache vorneweg, hinterher die rangniederen Bachen und alle Frischlinge. Die Spannung auf dem Ansitz ist greifbar. Niemand rutscht mehr auf seiner Bank hin und her, keiner spricht oder traut sich, das Fernglas abzusetzen. Alle beobachten ganz gebannt die 17 Wildschweine, die zum Anfassen dicht vor dem Ansitz herziehen. Nachdem die Schweine nicht mehr zu sehen sind, entbrennt auf dem Ansitz eine Diskussion: Sind Wildschweine gefährlich? Warum vermehren sich die Wildschweine so stark? Und die Feinschmecker unter den Gästen diskutieren, ob man Wildfleisch vor der Zubereitung in Buttermilch einlegen muss.
Dann reißt der Himmel doch noch kurz auf und wir können unseren Sonderling und den „neuen“ Bock mit einer Stange ganz deutlich sehen. Gleich daneben sind gut 40 Stück Rotwild - Hirsche, Kühe und Kälber - zu sehen. Nur die Wildschweine sind spurlos verschwunden.